Dieser
Artikel ist zuerst im Hebammen
Info 6/2003 auf Seite 53
erschienen.
Die hier veröffentlichte Fassung erschien in der Hebammen
Zeitschrift 3/2004 auf Seite 53
mit dem Titel: "Schaden
Schaffelle".*
Abdruck und Vervielfältigung, auch Auszugs weise, nur mit
Genehmigung des Autors
(Schaffelle
und Plötzlicher Kindstod)
Holger
Frieß fasst die
relevanten Forschungsergebnisse zusammen, die sich mit der These
auseinandersetzen, dass Babys, die auf Schaffellen schlafen, einem
höheren Risiko ausgesetzt sind, am Plötzlichen
Kindstod zu sterben. Basierend darauf gibt er Tipps für die
Gestaltung der Schlafumgebung des Säuglings
Der Gebrauch von Schaffellen ist von Gruppen, die sich der
Prävention des Plötzlichen Säuglingstods
(englisch: sudden infant death syndrome SIDS) verschrieben haben, zu
einem fast kriminellen Akt stilisiert worden. So ist in Rheinland-Pfalz
eine Verordnung erlassen worden, die Gerber und Händler dazu
zwingt, auf Schaffellen ein Hinweisschild anzubringen, diese seien
für den Gebrauch bei Kindern unter einem Jahr nicht geeignet.
Ferner soll es Kliniken untersagt werden, Schaffelle in ihren
Räumlichkeiten zu dulden. Vor dem Hintergrund, dass zum
Beispiel die Heidelberger Kinderklinik mit dem Einsatz von Fellen bei
Frühgeborenen nachweislich gute Erfahrungen gemacht hat,
handelt es sich hier um eine Anweisung, die vorgibt Kinderleben zu
retten, auf der anderen Seite aber die Chancen von
Frühgeborenen reduziert.
Rücken-
oder Bauchlage?
Es kursierte in den 90er Jahren das Gerücht, Babyfelle
wären ein Hauptrisiko für das Auftreten des
Plötzlichen Säuglingstods. Bezug genommen wurde dabei
hauptsächlich auf Untersuchungen, die in Australien und
Neuseeland durchgeführt wurden. Ausgangspunkt war eine
neuseeländische Falluntersuchung, bei der auffiel, dass 64
Prozent der Kinder, die an SIDS verstarben, auf Schaffellen gelegen
hatten. Um es kurz zufassen, damals wurde der Zusammenhang zwischen der
Schlafposition und dem Risiko für Sids herausgefunden. Ein
Ergebnis der Studie war, dass bei Kindern, die auf dem Bauch schliefen,
das Risiko an Sids zu sterben, erheblich höher
war als bei
Kindern, die auf dem Rücken schliefen. Bei denjenigen Kindern,
die auf dem Bauch schiefen, spielte die Unterlage eine signifikante
Rolle. Bei den Kindern, die auf dem Rücken schliefen, spielte
es keine Rolle, auf welcher Unterlage sie lagen. Mit der Erkenntnis
über die Schlafposition konnte in den industrialisierten
Ländern die Rate der an SIDS verstorbenen Säuglinge
durch Aufklärungskampagnen um bis zu 50 Prozent reduziert
werden. Auf der Suche nach den Ursachen für das
erhöhte Risiko in der Bauchlage wurden weitere Untersuchungen
angestellt. Die These, die hinter den Untersuchungen stand, war, dass
in der Bauchlage das ausgeatmete Kohlendioxid (CO2) wieder eingeatmet
wird und so eine Anreicherung von CO2 in der Atemluft für das
erhöhte Risiko verantwortlich ist.
Der
„Re-Breathing-Effekt“
Die Untersuchungen - Tierversuche - wurden mit verschiedenen Unterlagen
durchgeführt; einmal durch eine rein mechanische Apparatur und
einmal, indem man Kaninchen in den Unterlagen quasi erstickte.
Tatsächlich konnte die mechanische Untersuchung nachweisen,
dass in einer weichen Unterlage die CO2-Konzentration von einem Prozent
auf fünf Prozent der Atemluft ansteigen kann. Der
Kaninchenversuch kostete zwölf von 15 Kaninchen das Leben,
wobei die vier Kaninchen, die auf eine mit Kunstfaser-Kugeln
gefüllte Matratze geschnallt wurden, alle umkamen. Drei von
vier Kaninchen auf Schaffellen erstickten und fünf von sieben
Kaninchen auf herkömmlichen Matratzen. Die Aussagekraft dieser
Untersuchungen wurde schon 1996 von Lungenfachärzten aus
Washington und Mississippi in Frage gestellt. Die
„Re-Breathing-These“ gilt weiterhin als eine der
Begründungen, warum Kinder in der Bauchlage
gefährdeter sind. Es gibt mittlerweile Untersuchungen
über verschiedene Unterlagen, unter anderem auch zu speziellen
kommerziellen Produkten, die das Wiedereinatmen von CO2 verhindern
sollen. Das Ergebnis war, dass diese speziellen Hilfen das
Wiedereinatmen nicht verhindern können, teilweise legen die
gemessenen Konzentrationen sogar das Gegenteil nahe.
Geschoren
oder „Naturspitze“
Festzustellen bleibt, dass die Wahl der Unterlage bei Kindern, die in
Rückenlage schlafen, unerheblich ist. Wenn Kinder immer wieder
in der Bauchlage schlafen und Ihr Gesicht in der Unterlage vergraben,
sollte eine eher harte Unterlage gewählt werden, da diese eine
geringere Berührungsfläche bietet. Leider wird in den
Untersuchungen nicht auf die Beschaffenheit der Felle eingegangen. Etwa
auf die Länge der Wolle, ob diese geschoren waren oder
„Naturspitze“. Oliver Schneider (Fellexperte und
Berater von Gerbereien) hat mit befreundeten Hebammen beobachtet, wie
Säuglinge sich in Stillgruppen auf verschiedenen Fellen
„verhalten“. Dabei kamen die Erwachsenen zu dem
Urteil, dass Kinder sich auf geschorenen Fellen (etwa drei Zentimeter
Fellhöhe) am wohlsten fühlen. Diese bieten offenbar
den richtigen Halt und den Widerstand, den Kinder spüren
wollen. Bei dieser Fellhöhe halte ich einen
„Re-Breathing-Effekt“ in der Seiten- oder
Rückenlage für ausschließbar. Ungeschorene
und unkadierte Felle von Milch- und Fleischschafrassen fand ich als
Babyfell noch nie geeignet. Als Kuschelfelle für
größere Kinder und Erwachsene haben sie aber ihre
Berechtigung.
<weiter>Faktor
Überhitzung / Gift- und Gerbstoffe
*Hebammen Info, die Fachzeitschrift des Bundes freiberuflicher Hebammen
Deutschland e.V. (BfHD)
Deutsche Hebammen Zeitschrift, Fachmagazin für
Hebammen, Erwin Staude Verlag GmbH, Hannover
Gibt es ein Biofell?